Akong Rinpoche: In Harmonie mit der Erde Header

Akong Rinpoche: Tara Rokpa Therapie – Die Bedeutung des Namens

Vortrag von Akong Rinpoche

Berthold Werner CC BY-SA 3.0, Link

Gehalten am 15.8.1996 in der Berliner Kongresshalle

Übersetzt, bearbeitet und leicht gekürzt von Ulrich Küstner

Der Vortrag ist inzwischen auch in Akong Rinpoche: In Harmonie mit der Erde (Originaltitel: Restoring the Balance) veröffentlicht worden.

Ich möchte über die Bedeutung und Interpretation des Namens “Tara Rokpa Therapie” sprechen.
Diese Bezeichnung hat drei Teile: Tara; Rokpa; und Therapie, oder Training, oder Technik.

Tara ist ein Sanskrit-Wort, das Tibetische dafür ist Dölma. Dölma heißt etwas befreien, frei sein, oder die Methode der Befreiung. Rokpa ist ein tibetisches Wort und heißt helfen, sich selbst helfen oder anderen Hilfe geben, im Sinne von nützlich sein. Training oder Therapie sind englische bzw. europäische Worte. Wie man sieht, sind in dieser Bezeichnung drei Sprachen bzw. Sprachgruppen vereint, Sanskrit, Tibetisch und Europäisch.

Die tibetische Sicht der Dinge legt großen Wert auf die Reinheit einer Tradition, dass etwas sehr rein und ursprünglich ist, nicht selbst-erfunden. Alle Übersetzungen von indischen Büchern und Texten ins Tibetische beginnen daher mit einer Zusammenfassung ihrer Bedeutung in Sanskrit. Dies soll symbolisieren, dass dies nichts von dir erfundenes ist, sondern dass du der Weisheit eines Menschen folgst, der es verwirklicht hat.

In dieser Weise ist Tara ein Mutter-Aspekt. Gemeint ist nicht die übliche Bedeutung von einer Mutter, die einem Milch gibt und Hausarbeit macht, sondern ein Sinn von räumlicher Weite und Unendlichkeit des Mutter-Aspekts. Etwas, das alles verdauen kann, was auch passiert. Egal wie ungezogen die Kinder sind, als Mutter kannst du Freundlichkeit und Fürsorge geben, weil es ein Band zwischen dir und deinem Kind gibt. Hier ist Mutter der symbolische Ausdruck für grenzenlose Fürsorge, für dein Kind kannst du deine eigenen Probleme loslassen; du kannst loslassen in einem Sinn von Raum, von Weite.

Wer vertraut ist mit der buddhistischen Tara-Praxis, oder der Bedeutung von Tara als Mutter-Aspekt, wird wissen, daß Tara auf viele verschiedene Weisen dargestellt wird, aber im speziellen in 21 Aspekten. Von diesen 21 Aspekten betreffen 8 überwiegend Schutz auf einer äußeren Ebene, Schutz vor Feuer, Erdbeben, Schlangenbissen, wilden Tieren. Bei den übrigen Aspekten geht es mehr um den psychologischen Aspekt; zu schützen und zu verstehen, was in deinem Geist vor sich geht. Wenn man alle 21 Aspekte zusammen nimmt, dann geht es nicht nur um physischen Schutz oder geistigen Schutz, sondern letztlich um Fürsorge und Verständnis für alle Aspekte deines ganzen Lebens.

Die Bedeutung von Rokpa ist Hilfe; aber nicht die Art von Hilfe, bei der man jemandem eine Tasse Tee gibt. Es geht hier um ein Aufeinander-Abstimmen, um Ausgewogenheit und Koordination. Du wirst hilfreich, du bist nicht mehr nutzlos. Das Hilfreichste ist, wenn du immer in Koordination bist mit allem was passiert; innere Übereinstimmung mit deinen Freunden, dir selbst, mit der Umwelt. Denn unser Problem ist, dass wir uns nicht aufeinander abstimmen, wir hören nicht auf Dinge, wir verstehen die Gefühle und Gesichtsausdrücke nicht, mit denen uns Menschen gegenübertreten. Wir nehmen uns nicht die Zeit zum Denken, wollen nicht verstehen.
Daher basiert die Arbeit mit all unseren Schwierigkeiten, innerlichen oder äußerlichen, auf Koordination und Verstehen.

Training oder Therapie heißt, nicht arrogant zu sein, nicht zu denken: “die anderen wissen doch gar nichts, aber ich bin besser”. Training bedeutet hauptsächlich Verstehen. Verständnis entwickeln wir, indem wir uns selbst analysieren, untersuchen. In uns selbst in das Positive und das Negative hineinschauen, die Situationen anzuschauen, die in unserer Umgebung und Umwelt geschehen, was passiert zwischen uns und anderen. Training hat mit Reife zu tun, mit Erkennen – nicht uns irgendeinen neuen Gedanken ins Gehirn zu pflanzen. Sondern es ist so, dass alle Gedanken und Techniken bereits in uns sind, unser Erbe sind, wir bemerken es nur nicht. Was wir tun ist lernen, dies zu erkennen. Training heißt: mehr Verstehen durch Erkennen.

Ein Vergleich: Wir müssen lesen können um zu studieren. Aber wir lernen nicht für jedes Buch das Alphabet neu. Gleich wie viele Millionen von Büchern es gibt, sie bestehen einfach immer nur aus den gleichen 26 Buchstaben in verschiedener Reihenfolge. Das zu verstehen, heißt wirklich etwas gelernt zu haben. Jemand sagt, ich habe ein neues Buch geschrieben – aber alles was er getan hat, ist, 26 Buchstaben auf eine andere Weise zu wiederholen. Niemand schreibt etwas neues, das darüber hinausgeht. Mit diesem Verständnis gehen wir an Therapie heran, als etwas das unser Leben einfacher machen soll, nicht es komplizieren. Wie wir all die Dinge verdauen können, die uns zustoßen und die um uns herum passieren, wie wir verstehen und uns die Zeit nehmen können, Geduld zu entwickeln.

Die Grundlage für all das ist, dass du Mitgefühl brauchst. Diese Therapie ist: alles beruht auf Mitgefühl. Mitgefühl sich selbst gegenüber, nicht nur für andere. Wir brauchen dies dringend: uns verstehen, uns verzeihen, und Mitgefühl mit uns selbst haben. Wir brauchen auch Mitgefühl mit unseren Freunden, und für unsere Feinde. Denn Freund oder Feind, und unsere eigenen Probleme – es ist alles Missverständnis und Verwirrung, erschaffen ohne jeglichen Grund. Daher ist Mitgefühl die Haupttherapie, die uns in die Lage versetzen kann, all unsere Schwierigkeiten zu überwinden, was sie auch sind.

Zusammengefasst: Der Mutter-Aspekt, Fürsorge wie für das eigene Kind, welche dafür alles andere loslassen kann. Dieses Aufgeben von allem ist keine Strafe, sondern Folge des Mitgefühls für das eigene Kind. Die Mutter kann dem Kind soviel Zeit und alles andere geben, weil sie großes Verständnis und Mitgefühl für es hat.

In diesem Namen ‘Tara Rokpa Training’ ist alles enthalten was enthalten sein muss, er fasst alle meine Gedanken, die ganze Basis buddhistischer Prinzipien zusammen.

Was wir erreichen wollen ist grenzenloser Raum, dass der Geist wird wie der Raum. Alle die Dinge, die im Geist geschehen, glücklich, unglücklich, Traurigsein und Vergnügen sind wie große Gebäude im Raum. Gleich wie viele Gebäude entstehen, es ist immer noch Raum, dieser Weltraum kann nie gefüllt werden. Wenn du dir vorstellst, dass dein Geist wie der Raum ist, dann kannst du alle deine Probleme ohne Mühe verdauen.

Dies fasst zusammen, was wir mit Tara Rokpa Therapie oder -Training erreichen wollen – dass ihr wie Raum werdet, und dann könnt ihr bauen was ihr wollt, der Raum wird nie zu klein werden!

Akong Rinpoche und Übersetzer Ulrich Küstner
Akong Rinpoche und Übersetzer Ulrich Küstner

Ich denke, das ist alles.