Sarah Wass im Tara-Rokpa-Magazin 13/2019
Übersetzung aus dem Englischen von Ulrike Müller-Glodde
Der südafrikanische Künstler William Kentridge verbindet seine Auswahl von Kunstmaterialien und ihre Verwendungsmethoden mit seiner Fähigkeit zu denken. In seinem Artikel (2009 im Guardian veröffentlicht) schreibt er: „… das Entscheidende am Zeichnen ist für mich, dass dies ein Medium ist, in dem ich denken kann.“ Und weiter: „Das Zeichnen ist ein nonverbaler Prozess. Einer der Vorteile bei der Kohlezeichnung besteht darin, dass sie sofort wieder veränderbar ist – man ändert sie so schnell, wie man denken kann. Ein Wischen mit dem Lappen und das Bild verschwindet oder ist verwischt, und man kann es sich wieder neu denken. Flexibilität im Zeichnen ist wichtig. Darin liegt eine Unmittelbarkeit im Zeichnen, ein Denken im Zeichnen, was für mich entscheidend ist.“
Die gewählten Materialien und die Einsatzmethode werden sich zweifellos auf den Prozess und das daraus entstehende Bild auswirken. Für uns alle ist dies eine interessante Frage, die sich am Anfang jedes kreativen Prozesses stellt, und ich denke hier besonders an den Einsatz von Kunstmaterialien im Tara Rokpa Prozess: welche Materialien und Methoden werden den Prozess des nonverbalen Denkens am ehesten fördern?
Die britische Künstlerin Tacita Dean sprach im BBC (Radio 4, am 30. Okt. 2019) über Francis Bacons Verbindung zur Malerei. Sie sagte, für ihn bedeute ein Einsatz von Farbe, dass er einen weiteren Einsatz hervorlocke und ihm dadurch ermögliche, etwas zu tun, woran er zuvor nicht gedacht habe. So führt also ein Zeichen dazu, dass ein weiteres Zeichen entsteht… Dean sprach dann über ihre eigene Verwendung des nicht-digitalen Films. Sie beschreibt die Kamera als einen Raum – einen Raum, in dem es dunkel ist. Diese im Raum enthaltene Dunkelheit ergibt Chancen, Zufälle und unbeabsichtigte Handlungen, und diese wiederum veranlassen Dean, irgendetwas zu tun… lassen sie in verschiedene Richtungen denken.
Die Herausforderung besteht darin, Materialien und Verwendungsmöglichkeiten zu finden, die uns erlauben, zu unserem bestmöglichen Ausdruck zu kommen und unser nonverbales Denken zu fördern.
Während eines Tara Rokpa Einführungskurses in Samyé Ling schuf eine Teilnehmerin nach der Kontemplation des Luftelements dieses Bild.
Aus der Vielfalt an Materialien wählte sie farbigen Knetgummi und geschredderte Folie. Das Foto wird dem Werk nicht wirklich gerecht, aber wenn man genau hinsieht, kann man vielleicht das flüchtige Spiel sowohl des Lichts wie des Schattens erkennen, das durch die Folienstreifen geschaffen wird.
Die Methoden und Materialien, die dieses nonverbale Denken stützen, sind unterschiedlich stark bei verschiedenen Menschen und variieren auch im Laufe der Zeit. Mir ist klar, dass ich es mir mit bestimmten Kunstmaterialien, ihrem Einsatz und ihrem Nutzen, allzu bequem machen kann; daher gehe ich hin und wieder mal zum Ausprobieren neuer Materialien und Methoden über. Für mich heißt das, unerwartetes Geschehen zu ermutigen und mir neue, kreative Wege und frisches Denken zu eröffnen. Da sind solche Materialien, zu denen wir uns oft und manchmal einfach aus Gewohnheit hingezogen fühlen, und solche, die wir nur aus dem Augenwinkel wahrnehmen. Lassen wir sie alle vor uns auftauchen und dann aussuchen, was immer gerade zu passen scheint in diesem Moment, um unseren nonverbalen Denkprozessen Raum zum Aufblühen zu verschaffen!
[Beitragsbild: Julieta Pereyra auf dem Sommercamp 2017]