Einführung zur Übung „Offenheit“

Offenheit – alles kann sich in Mitgefühl verwandeln

Einführung von Ulrich Küstner

in der Online-Veranstaltungsreihe „Tara Rokpa kennenlernen“, 11. März 2021

Herzlich willkommen zu unserem letzten Abend in der Reihe „Tara Rokpa kennenlernen“.

Wir haben fünf Vorträge gehört und bisher vier Übungsabende gehabt, jeweils mit kleinen Einführungen.

Heute geht es um die letzte der fünf Basisübungen. Basisübung heißt nicht unbedingt Anfängerübung. Wir lehren und lernen sie am Anfang, aber sie können auch nach Jahren immer wieder geübt werden. Sie werden über die Zeit nicht nur vertrauter und leichter, sondern wir entdecken auch noch subtilere Aspekte und machen die Übungen anders, mit einem vertieften Verständnis. Verständnis vor allem auch mit einer anderen Beziehung zu unserem Geist, zu unserem Bewußtsein von uns selbst.

Inzwischen ist sicher deutlich geworden, dass die „Entspannungs“übungen bei Tara Rokpa nicht einfach nur zur Entspannung sind.

Ja, sie sollen uns entspannen, körperlich, emotional aber auch gedanklich/kognitiv, in unseren Ängsten, Sorgen, unseren festen Überzeugungen und strengen Ansichten. In diesem Sinne sind sie eine allumfassende Lockerungsübung, vor allem für einen verkrampften Geist. 

Jede der fünf Basis-Übungen hat eine spezifische Botschaft oder Funktion. Zur Erinnerung:

Die erste Übung hieß „Spüren“. Dabei üben wir das Verweilen beim Körper mit der Aufmerksamkeit. Wir bleiben bei unseren Empfindungen, wie sie sind. Einfach nur da zu sein, präsent sein mit der Aufmerksamkeit, führt schon zu einer Entspannung. Wir nehmen unseren Körper wahr, sind bei ihm, und wir lassen ihn in Ruhe.

Dann kamen die Drei Lichter. Sie basieren auf der Idee einer Reinigung durch Licht. Das weiße Licht ist noch einmal für den Körper, wir stellen uns vor, wie es Spannungen und Ungleichgewichte hinausspült. Dann das Rote Licht. Es bringt Wärme, Geborgenheit, Sicherheit, Fülle und Erfüllung, Großzügigkeit. In unserer Vorstellung gleicht es emotionale Mangelzustände aus, löst sie und gibt ihnen was sie brauchen.

Das Blaue Licht löst Angst und Verwirrung. Strahlendes leuchtendes tiefes blaues Licht bringt ein Gefühl von innerer Stärke, Zutrauen, Selbstvertrauen, Klarheit.

Heute stellen wir im Rahmen dieser Veranstaltung die letzte Entspannungsübung vor. Ihre Botschaft ist, dass alle unsere Empfindungen, Gedanken und Eigenschaften ernst genommen werden und geschätzt werden. Wir brauchen sie für unsere Entwicklung, und damit wir mitfühlend werden können. Wer eigenes Leid kennt, kann es auch bei anderen nachempfinden.

Wir sagen also bei allem, was in uns geschieht:

Das ist okay, da lässt sich was mit anfangen.

Das ist eine Haltung, die den meisten von uns nicht leicht fällt. Wir haben doch immer etwas zu meckern an uns. Es fällt uns schwer, uns so zu nehmen wie wir sind.

Und dann noch zu glauben, dass wir im letztendlichen Sinne wertvoll sind.

Im Buddhismus wird das „der dritte Pfeil“ genannt.

Wenn uns etwas trifft, uns verletzt – das ist der erste Pfeil. Aber dann machen wir es oft noch schlimmer, indem wir das Geschehene nicht loslassen können, in Gedanken und Gefühlen weiter darum kreisen. Und wenn wir dann anfangen,  uns wegen dieser Reaktion schlecht zu fühlen – „eigentlich müsste ich damit doch anders umgehen können“ – das ist dann der dritte Pfeil.

In dieser Übung, Offenheit, brauchen wir noch nicht einmal die Selbstabwertung wegzutun!

Alles darf da sein. Nichts in uns ist so negativ, dass es nicht genutzt werden kann. Alles kann verwandelt werden – auch natürlich das Gute und Positive und Schöne. 

Alles verwandelt sich in Mitgefühl. Das ist die Grundidee der Übung. Wir nutzen dazu die Vorstellung, dass wir all das, was in uns geschieht, mit uns geschieht, hinausatmen, und zu goldenem Licht werden lassen, das für allumfassendes Mitgefühl steht. Allumfassend heißt, es gilt jeder und jedem und allen, ohne Unterschiede.

Wir beginnen dort, wo wir sind: Bei unserer eigenen Körperlichkeit, mit oder ohne Beschwerden, unseren Emotionen und Gedanken wie sie im Moment eben gerade sind, vielleicht auch Sorgen, Zweifeln und Unklarheiten. Am Anfang der Übung schauen wir uns das alles nochmal kurz an. Das ist unsere Ausgangssituation, das ist unser Material, mit dem wir arbeiten können. Und dann stellen uns vor, wie wir das alles hinausatmen, dass sich alles in goldenes Licht verwandelt, und das schicken wir überallhin, zu allen, und dann auch wieder zu uns selbst.

Das ist, kurz gefasst, die Übung. Und nun üben wir sie gemeinsam.